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Familien mit Kindern in der Pubertät

Diese Zeit wird von fast allen Familien und beteiligten Personen als Zeit mit großen Turbulenzen und oftmals schwieriger Beziehungsgestaltung erlebt. Entscheidend für die persönliche Zufriedenheit ist, inwieweit die eigenen Bedürfnisse, Erwartungen und Wünsche mit denen der anderen Familienmitglieder einigermaßen im Gleichgewicht sind.

Beim Kennenlernen einer Familie und ihres Anliegens in der Beratung geht es zunächst darum zu verstehen, welche Bedeutung und welche Gewichtung dieses Anliegens für jeden einzelnen haben.  Deswegen ist auch der zumindest einmalige Besuch aller Familienmitglieder sehr hilfreich.  Unter dem Blick der Mehrgenerationenperspektive finden sich so manchmal erste Hinweise, dass es persönliche Anteile gibt, die aus Erfahrungen mit anderen Personen stammen. Beispielsweise war es einem Vater nur  möglich seinen Sohn aus dem Hause gehen zu lassen, wenn er sich vergewissert hatte, dass zurzeit kein Ärger zwischen ihnen stehe. Dieses Ritual belastete immer stärker das Zusammenleben. Es stellte sich heraus, dass  die Wurzel dieses Verhaltens in der Kindheit des Vaters lag, wo er einen nahen Angehörigen durch einen plötzlichen Unfalltod verloren hatte.  Oder der Ablöseprozess aus dem eigenen Elternhaus war eher eine „ Flucht“ oder eine „Vertreibung“ als eine Entscheidung.  Wenn sich nun die eigenen Kinder zu lösen beginnen, aktualisieren sich oft wieder die eigenen Erfahrungen.  Wenn die Erfahrungen reflektiert und evt. sogar kommuniziert werden, kann sich dies  sehr positiv auswirken. Sogenannte Familiengeheimnisse (wie z. B. die Ausweisung der Mutter mit 16 Jahren aus ihrem Elternhaus) wirken sich dagegen häufig belastend und vertrauensschädigend aus.  Sich wiederholende familiäre Muster werden oft beim Erstellen von Genogrammen  (schematische Darstellung einer Familie über mindestens drei Generationen) deutlich.

McGoldrick, Gerson und Petry sprechen in der Ablösungsphase  von zwei „Beziehungsdreiecken“. In einem sind die Jugendlichen mit ihren Eltern und Freunden zusammengefasst und im anderen mit ihren Eltern und Großeltern.  Verdeutlicht wird  damit, dass die Hintergründe für Reibungspunkte im Alltag durchaus auch mit den Lebenserfahrungen der Eltern und Großeltern  zu tun haben können und diese Verbindung die Konflikte verstärken kann differenziert in diesem Zusammenhang zwischen „Familienvergangenheit, individueller Vergangenheit und die Vergangenheit über mehrere Generationen“ hinweg.

Bei den Jugendlichen treffen in dieser Zeit viele und teilweise neue Aspekte aufeinander. Mit der körperlichen und seelischen Entwicklung werden vor allem die erwachende Sexualität und damit verbundene Gefühle lebensbestimmend. Es geht um die Beziehungsgestaltung zu Gleichaltrigen, um die Verarbeitung von ersten Liebes- und Trennungserfahrungen und gleichzeitig um die Auseinandersetzung mit den Erwartungen und Leistungsanforderungen in Elternhaus und Schule. Verständnis von Seiten der Bezugspersonen wirkt sich positiv aus. Dennoch bleibt es auch eine Herausforderung  für die Erwachsenen das evt. „Anderssein“  (Aussehen, Prioritäten, Werte etc.) ihres Kindes anzunehmen und auszuhalten. Schließlich brauchen junge Menschen für ihre Entwicklung auch Eltern, die ihre Meinung beibehalten, auch wenn diese „nicht so gut ankommt“.  Für die Eltern kann es  eine Zeit werden,  eigene Grenzen ( z. B. im Beruf oder auf Beziehungsebene) bewusst  wahrzunehmen.

Erfreulicherweise lassen sich oft verdeckte Ursachen für belastende Alltagskonfrontationen finden und aus dieser neugewonnenen Perspektive können kreative und individuelle Lösungsideen entwickelt werden. Immer wenn es gelingt, von „Vermeidungszielen“ zu „Annäherungszielen“  (Liechti  2009, S.49) zu kommen, treten Ressourcen wieder in den Mittelpunkt und können genutzt werden. Es wirkt sich beziehungsstärkend aus, wenn neue stimmige Rituale zwischen Jugendlichen/jungen Erwachsenen und ihren Eltern entstehen und  beide Generationen profitieren  für die eigene Lebenszufriedenheit und –energie. Solche Rituale ergeben sich oft aufgrund von früheren Erfahrungen oder bewusst neu gesetzten Zielen  - beispielsweise ein monatlicher Bowlingabend, ein Kinobesuch , ein Essen, das abwechselnd zubereitet wird … . Ein sehr empfehlenswerte Untersuchung zum Thema Rituale findet sich in der Zeitschrift Familiendynamik 3/2010.  Darin heißt es u. a. „Kindern geben Rituale offensichtlich Halt, gerade in der Entwicklungsphase, in der sie sich von den Eltern zu lösen beginnen, sich entsprechend die familiären Beziehungen verändern und Konflikte häufen. Rituale können dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Geborgenheit entgegenkommen, das neben dem wachsenden Autonomiebedürfnis  der Jugendlichen an der Schwelle zur Adoleszenz nach wie vor eine wichtige Rolle spielt.“