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Einfach – gläubig – konsequent

Katholische Morgenfeier mit Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand am Sonntag, 15. Mai 2011, von 10.35 bis 11 Uhr Im Hörfunkprogramm Bayern 1 des Bayerischen Rundfunks

Liebe Hörerinnen und Hörer!

Heute Nachmittag findet im Würzburger Dom eine nicht alltägliche Feier statt. Mit Pfarrer Georg Häfner wird ein Priester selig gesprochen, dessen Wirken in die Nazizeit fiel und der 1942 im Konzentrationslager Dachau ums Leben kam. Die Entscheidung des Papstes, diesen einfachen Landpfarrer als Vorbild im Glauben zu proklamieren, hat viel Freude, aber auch viele Fragen ausgelöst. Was ist beispielhaft im Leben und Sterben von Georg Häfner? Ist es sinnvoll, angesichts des Holocausts, dem allein über fünfeinhalb Millionen Juden während der Nazizeit zum Opfer fielen, ein einziges Schicksal so herauszustellen? Maßt sich die katholische Kirche mit der Selig- oder Heiligsprechung nicht ein Urteil über einen Menschen an, das ihr gar nicht zusteht? Solche und ähnliche Fragen sind mir in den letzten Wochen und Monaten öfter gestellt worden. Ich möchte sie in dieser Morgenfeier aufgreifen und mich zusammen mit Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, auf eine spirituelle Spurensuche begeben, bei der das Profil dieses Glaubens-zeugen und seine Bedeutung für uns vielleicht etwas deutlicher wird. Ich tue dies im Blick auf Georg Häfner in drei Schritten: Lebensgeschichte – Lebensvernichtung – Lebensverdichtung. Oder anders: Nach einem Blick auf seine Biographie und sein Sterben im Konzentrationslager kann klarer werden, worin die Impulse für unsere Zeit liegen, die von diesem Priester ausgehen und was seine Seligsprechung bedeutet.

1. Lebensgeschichte: Georg Häfner wurde am 19. Oktober 1900 in Würzburg geboren und war das einzige Kind seiner Eltern. Beide waren einfache Leute: Der Vater städtischer Arbeiter, die Mutter Hausfrau, die mit Waschen und Bügeln etwas zum Lebensunterhalt der Familie hinzuverdiente. Dadurch half sie mit, ihrem Sohn eine höhere Schulbildung zu ermöglichen. Entscheidend war für Georg Häfner während seiner Gymnasialzeit der Kontakt mit dem Karmelitinnenkloster Himmelspforten. Durch seinen regelmäßigen Ministrantendienst wuchs in ihm nicht nur der Wunsch nach dem Priesterberuf; er wurde auch mehr und mehr mit der Spiritualität des Karmel vertraut, die für ihn zur entscheidenden geistlichen Prägung werden sollte. Grundlagen dieser Glaubenshaltung sind ein Bewusstsein für die ständige Nähe Gottes und der Weg wachsender Freundschaft mit Jesus. Ausdruck findet beides im inneren Gebet, das dem immer intensiveren Erkennen des Willens Gottes dienen soll. Gebet und Betrachtung sollen jedoch nicht zu einer religiösen Selbstgenügsamkeit führen, sondern zur Solidarität mit der Not aller, die Gott nicht kennen oder von ihm getrennt sind. Gerade eine so tiefe Glaubenserfahrung wird jedoch nicht selten durch Krisen oder eine regelrechte „Gottesfinsternis“ geprüft. Es ist verblüffend, wie sich alle diese geistlichen Elemente an den Lebenstationen Georg Häfners festmachen lassen und schließlich in seiner KZ-Zeit ihre große Bewährungsprobe und entscheidende Reifezeit erleben.

Nach seiner Priesterweihe im April 1924 wirkte Häfner zunächst als Kaplan an verschiedenen Orten im Bistum Würzburg, bevor er 1934 Pfarrer in Oberschwarzach wurde, einer Pfarrei im Steigerwald mit zahlreichen Filialorten. Georg Häfner nahm seine seelsorglichen Pflichten sehr ernst, aber er war gewiss nicht das, was man unter einem „populären“ Pfarrer versteht. Seine Innerlichkeit und sein bis ins Detail hinein konsequentes Glaubensleben wurde von nicht wenigen Menschen in der Pfarrei als Distanziertheit empfunden. Bezeugt ist auch, dass der Pfarrer sich im Religionsunterricht nicht leicht tat und pädagogische Probleme hatte. Von Anfang an war er jedoch ein klarer Gegner des Nationalsozialismus, den er als Bedrohung des Christentums empfand und konsequent ablehnte. Verschiedenes kam bei diesem Konflikt zusammen: Mit der Einrichtung eines Zimmers im Untergeschoss des Kirchturms wollte Häfner der schulischen Gleichschaltung durch die Nazis begegnen, um dort den Beicht-, Kommunion- und Firmunterricht erteilen zu können. Die Verweigerung des Hitler-Grußes hatte für ihn ein Schulverbot zur Folge. Das Maß für die NS-Machthaber war voll, als er einen exkommunizierten Parteigenossen auf dem Sterbebett dazu brachte, die Nichtigkeit seiner Zivilehe anzuerkennen. Dies fassten die Nazis im Verbund mit den Sterbesakramenten und dem kirchlichen Begräbnis nicht nur als lokale Provokation, sondern als grundsätzliche Infragestellung ihrer „Deutungshoheit“ über das gesamte öffentliche Leben auf. Häfners Verhalten wurde zur Staatsfeindlichkeit hochstilisiert; Ende Oktober 1941 wurde er verhaftet. Nach einigen Wochen im Würzburger Gefängnis wurde er im Dezember ins KZ Dachau gebracht, wo er am 20. August 1942 auch durch die monatelange Zwangsarbeit geschwächt am Hungertod starb.

2. Lebensvernichtung: Die Zeit in Dachau war für Georg Häfner und viele seiner Mithäftlinge ein wahres Martyrium. Das Konzentrationslager war bereits im März 1933, also wenige Wochen nach der Machtergreifung Hitlers, als erstes seiner Art eröffnet worden. Hier sollten alle, die von den neuen Machthabern als Gegner empfunden wurden – Juden, Bürgerliche, Sozialisten und Kommunisten, aber auch engagierte Christen - „unschädlich“ gemacht werden, wie es im Nazi-Jargon hieß. In Dachau und seinen Außenlagern waren bis Kriegsende mehr als 200.000 Gefangene aus 38 Staaten und Nationen inhaftiert. Von ihnen sind mehr als 30.000 ums Leben gebracht worden. Sie starben an Erschöpfung oder durch Krankheit. Sie verhungerten oder erfroren. Sie wurden zu Tode gespritzt, erhängt, erschlagen, erschossen. Über 3.000 wurden zur Vergasung deportiert. Dachau war zusätzlich das Priesterlager der Nazis mit Geistlichen aus ganz Europa. Etwa 2.800 Priesterhäftlinge kamen hierher; 1.106 von ihnen wurden umgebracht, darunter viele Polen. „Vernichtung durch Arbeit“ lautete eine KZ-Devise. Dies bedeutete Zwangsarbeit in der Kiesgrube, im Straßenbau, in der Gemüseplantage. Die Unmenschlichkeit der Behandlung übertrifft das Vorstellungsvermögen. 1.691 Geistliche überlebten die Lagerzeit. In diese „Hölle von Dachau“, wie sie von einem Zeitzeugen genannt wurde, kam Georg Häfner. Überlebende Mithäftlinge schildern ihn als einen stillen, bescheidenen, introvertierten Menschen, der wenig sprach und viel betete. Wenn ein bekanntes Wort das Gebet als „Ernstfall des Glaubens“ bezeichnet, bestätigt sich dies voll und ganz in der Leidenszeit Georg Häfners: Seine durch die Spiritualität des Karmel geprägte tiefe Gottverbundenheit gab ihm die Kraft, die Torturen des Lagers durchzustehen und nicht zu verzweifeln. Seine Briefe aus dem KZ und schon vorher aus dem Gefängnis zeigen darüber hinaus, dass er Haft und Leiden auch als stellvertretende Glaubenssolidarität mit den ihm anvertrauten Menschen sah: „Meine Leidenstage opfere ich auf für meine Pfarrei und für alle, die mir lieb und teuer sind“, schreibt er im Dezember 1941. Aus dieser Haltung heraus kann er sogar wenige Wochen vor seinem Tod die Worte weitergeben: „Keinem Menschen wollen wir etwas nachtragen. Für mich gibt es keine Feinde“ (9.8.1942). Es ist beeindruckend, wie Quälerei und Schikanen bei Georg Häfner nicht etwa die Verbitterung verstärken, sondern zu einer ganz erstaunlichen inneren Freiheit führen. All das wirkt wie ein Kommentar zu den Worten des Apostels Paulus im zweiten Korintherbrief, wo es heißt: „Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht; wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt und doch nicht vernichtet“ (2 Kor 4,8-9). Es ist eigenartig: Gerade die Haltung der Innerlichkeit, die Georg Häfner im Leben nach außen wortkarg und mitunter sperrig erscheinen ließ, ermöglichte ihm unter den extremen KZ-Bedingungen das geistliche Über-Leben. Seine Leidenszeit, die er selber bewusst als Kreuzweg anging, wurde zu einer Zeit der Läuterung, in der die Motive seines Handelns in einer Klarheit zutage treten, wie dies unter anderen Bedingungen nicht geschehen wäre. Das nimmt dem Vernichtungs-system der Konzentrationslager nichts von seiner abgrundtiefen Bosheit, macht aber deutlich, dass die Verbundenheit mit Jesus Christus auch unter extremen Bedingungen Bestand haben und für Andere zum Leuchten kommen kann. Gerade deshalb ist es wichtig, dass solche persönlichen Zeugnisse der Bewährung im Glauben nicht in der Anonymität des Vergessens untergehen, sondern in der Erinnerung bleibende Bewahrung finden.

3. Lebensverdichtung: Die Lebensvernichtung durch ein totalitäres Regime erweist sich am Beispiel Georg Häfners aus der Sicht des Glaubens als eine Lebensverdichtung, die deutlich macht, dass unser begrenztes Dasein vor Gott in einem größeren Zusammenhang steht, der rein menschlich nicht planbar ist. Um diese Lebensverdichtung, die Gott als tragenden Grund der eigenen Existenz bezeugt, geht es bei der Seligsprechung dieses Märtyrerpriesters am heutigen Sonntag. Im Unterschied zu einer Heilig-sprechung, die sich auf gesamtkirchlich bedeutende Glaubensgestalten bezieht, werden Selige eher regional oder lokal verehrt. Aber in diesem Zusammenhang wird oft die kritische Frage gestellt: Maßt sich da die katholische Kirche, vertreten durch den Papst, nicht die Sicherheit eines Urteils an, das eigentlich nur Gott zusteht? Der Theologe Karl Rahner, dem wir wichtige Einsichten zu dieser Frage verdanken, kann uns zumindest nachdenklich machen, wenn er argumentiert: Die Kirche und ihr Lehramt maßen sich bei der Heilig- oder Seligsprechung eines Menschen nicht etwa ein Recht an – die Kirche erfüllt vielmehr die Pflicht, das Ankommen der Liebe Gottes zu verkünden und es konkret zu benennen. Denn sie darf nicht nur einen allgemeinen Heilswillen Gottes aussagen, sie muss vielmehr im Blick auf ganz bestimmte Menschen und Lebensumstände feststellen können: „Gott hat wirklich erlöst, er hat wirklich Machttaten an den Sündern getan, er hat in der Finsternis sein Licht aufleuchten lassen, es brennt, es ist auf menschliche Weise zu sehen.“ Es geht mithin um die Aussage, dass sich Gnade wirklich ereignet. Heilig- und Seligsprechungen stellen deshalb nicht Menschen auf ein Podest, sondern sind zuallererst Aussagen über Gott, dessen Liebe sich im Leben und Sterben einzelner Christen verdichtet. Es ist eigenartig: In der Politik, im Sport, in der Kulturszene, in der Medienwelt spricht man mitunter von „Lichtgestalten“. Gemeint sind dabei Menschen, die durch Leistung und Ausstrahlung ganze Lebensbereiche prägen und dabei manchmal sogar zu Idolen werden. In gewisser Weise gibt es solche Lichtgestalten auch im Glauben, aber mit einem ganz wichtigen Unterschied: Heilige und Selige gewinnen ihre Ausstrahlung nicht durch eigene Leistung, sondern weil sie in ihrem Leben auf ganz unterschiedliche Weise die Liebe Gottes zum Leuchten gebracht und so die Welt heller gemacht haben. Pfarrer Georg Häfner gehört zu diesen Lichtgestalten. Er war ein Priester, dessen Leben Höhen und Tiefen kannte und das in manchem bruchstückhaft war. Aber er hat in einer düsteren Epoche bis ins Sterben hinein bezeugt, dass Gottes Licht das menschliche Dunkel durchdringt und dass sich seine Kraft gerade in der menschlichen Schwachheit zeigt, wie es im zweiten Korintherbrief heißt (2 Kor 12,9). „Einfach – gläubig – konsequent“ - mit diesen drei Worten, die Georg Häfner sehr treffend kennzeichnen, versucht das Bistum Würzburg die Impulse der Seligsprechung dieses Priesters in den Alltag aller Christen hinein zu übersetzen. Einfach, gläubig, konsequent – das sind in der Tat Haltungen, in denen sich auch unser Leben aus dem Glauben stets von neuem verdichten kann.

Liebe Hörerinnen und Hörer!

In der Vorbereitungszeit auf die Seligsprechung ist ein Gebet entstanden, mit dem ich unsere Spurensuche abschließen möchte. Zu Ende ist sie freilich nicht: Wir alle sind dazu aufgefordert, Spuren Gottes in unserem ganz persönlichen Leben immer wieder neu zu entdecken. Georg Häfner kann uns dabei ermutigen. Das Gebet lautet:

Gott, unser Vater! Durch deinen Geist wird unsere Geschichte zur Heils-geschichte. Du gehst alle Wege mit. An Pfarrer Georg Häfner wird dies sichtbar: Er hat einfach, gläubig, konsequent gelebt und gehandelt. Er ist den Weg des Martyriums gegangen. Für seine Glaubensüberzeugung nahm er den Tod auf sich. Wir danken dir für sein Lebenszeugnis. Wir danken dir für dieses Zeichen der Glaubenstreue in schrecklicher Zeit. Wir bitten dich um den Mut, seinem Beispiel in unserem Alltag zu folgen. Hilf uns, dort, wo wir stehen, einfach und aufrichtig, tapfer und treu zu leben.

Dazu segne und stärke uns der barmherzige Gott: + Der Vater + und der Sohn + und der heilige Geist. Amen.